Der Prinz und die falsche Braut
Unsere Geschichte führt uns weit weg, immer nach Osten, über Berge und Täler, über reißende Flüsse in das Land der aufgehenden Sonne bis nach Samarant. Ganz selten kam ein Fremder hierher, denn so beschwerlich war die Reise. Samarant war ein Ort den man niemals mehr verlassen wollte, wenn man einmal hier gelebt hat. Die Pflanzen waren von üppigem Wuchs und so war der Tisch immer reich gedeckt für alle. Die Menschen waren fröhlich und gesund, viele wurden steinalt. Ein alter und weiser König hatte in vielen Jahren den Wohlstand seines Volkes vermehrt. „Es wird immer anstrengender König zu sein“, sagte der König zu seinem Zeremonienmeister, „Ich muss regieren, einen großen Hofstaat halten und weise Entscheidungen treffen. Langsam werde ich alt und muss ausruhen. Mein ältester Sohn muss endlich heiraten und selbst regieren, alt genug ist er wahrlich.“ Gleich am nächsten Morgen empfing er den Prinzen Saltan, seinen ältesten Sohn, in seinen Privatgemächern. Eigentlich wollte Saltan mit dem Falken auf die Jagd gehen. Jagen war seine Lieblingsbeschäftigung. Nun hatte der König nach ihm gerufen. Was wollte der Vater schon bei Sonnenaufgang von ihm? „Komm her mein Sohn, ich habe etwas Wichtiges mit dir zu besprechen, setz dich“. Ein Diener kam und verbeugte sich, er brachte Tee und die große Wasserpfeife. Der König ergriff die Pfeife und tat einen langen Zug. „Saltan ich bin alt und müde und ich habe keine Kraft mehr zum Regieren. Ich will, dass du König wirst. Und heiratest, du bist alt genug. In sieben Wochen will ich ein großes Fest geben. Alle Prinzessinnen im heiratsfähigen Alter sollen eingeladen werden. Unter ihnen wird schon eine die Richtige sein.“ „Ja sie soll wunderschön und so bezaubernd sein, wie eine Fee“, sagte Saltan und goss sich eine Schale duftenden Tee ein. An den nächsten Tagen hatte der Hofschreiber viel zu tun. In alle Himmelsrichtungen wurden Einladungen verschickt. Der ganze Hofstaat war in Aufregung, es hatte sich herumgesprochen, Saltan sollte König werden und sich vermählen. Der Prinz freute sich ganz besonders. Beim letzten Mondfest hatte er Sirit im Tempel tanzen sehen. Die schöne Prinzessin Sirit tanzte atemberaubend schön. Wie ein Blitz hatte ihr Lächeln ihn getroffen. Er konnte mit offenen Augen von ihr träumen. „Ja sie werde ich auswählen, sie soll meine Königin werden“, dachte er. Die Vorbereitungen zum Fest des Königs waren im vollen Gange. Die Diener liefen hin und her, der Palast wurde geputzt, im Park Blumen gepflanzt, Wild für den Braten geschossen. Milch, Honig, Datteln, Käse und Fisch, alles wurde eingelagert, damit die Gäste sich laben konnten. Es sollte an nichts fehlen. Dreizehn wunderschöne Prinzessinnen saßen an der langen Tafel. Alle wollten dem Prinzen gefallen und Königin werden. Aber Saltan hatte nur Augen für Sirit. Als sie sich beim Tanz tief in die Augen blickten, pochte sein Herz. Er hatte sich entschieden. Nun konnte ein Hochzeitsfest gefeiert werden.
Auch Babuja, die alte Kräuterhexe, bereitete sich auf das bevorstehende Hochzeitsfest vor. Sie tanzte um den Herd mit dem Kupferkessel, sprach Zaubersprüche und spuckte in die Suppe. „Fliegenpilz und roter Mohn, Saltan wird mein Schwiegersohn, aus hässlich wird schön, im Handumdreh´n.“ Jetzt noch die Krötenschenkel in den Sud und langsam köcheln, fertig ist der Zaubertrank“. „Komm her meine Kleine, ich will dich herausputzen für das Fest. Du sollst der Braut zum Verwechseln ähnlich sehen. Gold für die Haare, Läuseblut für die Lippen und Sternenlicht für das Kleid, die Taille fest geschnürt. Schön wirst du dann durch die Wirkung des Zaubertranks. „Einen Tropfen in den Wein und der Königssohn ist dein.“ Babuja tanzte mit ihrer Tochter einen wilden Freudentanz. „Fliegenpilz und roter Mohn, Saltan wird mein Schwiegersohn.“
Der König war sehr erfreut über die Wahl seines Sohnes. Der Tempelpriester sollte das Paar beim nächsten Vollmondfest trauen. Saltan konnte es kaum erwarten. Endlich war Vollmond. Die Tempelanlage war mit Blumen und Palmenzweigen reich geschmückt. Überall brannten Fackeln, aus Weihrauchschalen strömte ein betörender Duft. Das ganze Volk, so schien es, strömte in Festkleidung zur Tempelanlage. Geschenke für das Brautpaar wurden herangeschleppt, mit Weinfässern beladene Esel mitgeführt. Der hohe Priester in weißem langem Gewand verneigte sich vor dem König und die Zeremonie begann. „ Das wird wieder Stunden dauern und ich bin müde“, dachte der König und schlief ein. Alle waren etwas schläfrig, das Festessen und der Wein taten ihre Wirkung. Der Priester sprach ein Gebet, Harfentöne erklangen leise und ein lauer Windzug war zu spüren. Der Vollmond stand genau über dem Tempel und tauchte alles in ein milchig weißes Licht. Da erschien der Zeremonienmeister. Er führte die Braut zum Altar. Saltan war entzückt. Täuschte er sich oder trug sie wirklich ein Kleid aus Sternenlicht? Und die goldenen Haare und ihre blutroten Lippen, „Sirit“, flüsterte er leise. Zu hause in der Hexenküche schaute Babuja in ihren Kristallspiegel und lachte, „ Fliegenpilz und roter Mohn, Saltan wird mein Schwiegersohn“. Soeben hatte der Prinz der vertauschten Braut ewige Liebe geschworen, sie konnte alles deutlich sehen. Jetzt beugte sich der Priester zur Braut und fragte, „willst Du Saltan ewige Liebe schwören und…“. „Nein“, sagte die Braut mit dem Sternenlichtkleid, „nein, ich liebe den Esel“. Sie stürzte zum Esel mit den Weinfässern und schlang ihre Arme um seinen Hals und bedeckte das struppige Fell mit heißen Küssen. Sie hatte auch vom Zaubertrank getrunken und gleich zwei Becher. Da hatte sie sich in den Esel verliebt. Der alte König erwachte durch den riesigen Tumult im Tempel. Alles stürzte durcheinander. Es donnerte und blitzte als wollte die Welt untergehen. Im Dornenwald schlug der Blitz ein. Die Hexenküche ging in Flammen auf. Die falsche Braut lief davon und niemand hat sie je wieder gesehen. Auch Babuja blieb verschwunden.
Beim nächsten Vollmond aber traten Saltan und Sirit vor den Priester und wurden vermählt. Saltan wurde König und lebte glücklich und zufrieden mit seiner Königin Sirit. Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.