Der Weihnachtsbär
Ganz langsam senkte sich die Dämmerung über die kleine Siedlung am Rande der Stadt.
Die Tage, so kurz vor Weihnachten waren ja wirklich sehr kurz, aber es war ja auch die Zeit der vielen Lichter. Überall in den kleinen Häusern wurde nach und nach die Weihnachtsbeleuchtung eingeschaltet. Viele Fenster waren mit schönen beleuchteten Figuren oder Lichterketten dekoriert,und
vor einigen Häusern waren sogar die Sträucher und Bäume beleuchtet. Es war ein sehr schöner und heimeliger Anblick.
Gwendolyn liebte diese Jahreszeit, mit ihrem ganzen Herzen und immer schon, seit ihren Kindertagen.
Die Kindertage waren natürlich schon lange vorbei, und erst heute Morgen hatte Gwendolyn wieder ein neues graues Haar in ihrem Scheitel entdeckt. Auch diese Falte unter dem linken Augen, die war doch neu, oder ?
Aber Gwen konnte darüber nur lächeln, es machte ihr nichts aus, denn älter zu werden war ja ein ganz normaler Vorgang, in jedem Leben.
„Alle diese Fältchen in meinem Gesicht, habe ich mir ehrlich erworben in meinem Leben“, dachte sie oft lächelnd.
Jetzt schaute sie lächelnd aus dem Fenster und sie genoss diese schönen Lichter, die man überall sehen konnte.
„Da ist die Kleine wieder“, dachte sie jetzt, „die Kleine mit den furchtbar traurigen Augen“.
Vor einigen Wochen war nämlich im Nachbarhaus eine neue Familie eingezogen. Frau Merlin, die auch im Nachbarhaus wohnt, hatte Gwendolyn erzählt, dass diese Familie aus ihrer Heimat flüchten musste, weil dort ein schrecklicher Krieg tobte, und man dort um Leib und Leben fürchten musste.
Sie hätten auch nur das Allernötigste mitnehmen können, und sie mussten alles zurück lassen, nur um ihr Leben zu retten.
„Die arme Kleine“, dachte Gwen, „bestimmt fühlt sie sich furchtbar fremd hier. Wer weiß ob sie überhaupt unsere Sprache versteht“.
Als Gwedolyn über diese traurigen Augen nach dachte, reifte in ihr ein Plan. Sie beschloss, dem kleinen Mädchen eine Freude zu machen.
Sie dachte nach, sie grübelte und es erschien ihr nicht genug, einfach in ein Geschäft zu gehen, und irgend etwas zu kaufen,
irgendein Spielzeug aus irgend einem Regal.
„Die Kleine braucht etwas ganz Besonderes, etwas für ihr trauriges Herz, woran es sich wirklich wärmen kann“, dachte Gwendolyn.
Sie dachte zurück an ihre eigene Kindheit, dachte darüber nach, wie sie sich gefühlt hatte, wenn sie ganz großen Kummer hatte.
Sie erinnerte sich an ihre Puppe Lilli, aber vor allen Dingen an ihren kuschelig weichen braunen Teddybär Petz. Ihn konnte sie drücken und lieb haben, ihn an ihr Herz drücken, und natürlich durfte Petz auch mit in ihrem Bett schlafen.
Den Teddy fest in ihren Armen, da konnte sie wunderbar einschlafen und kein Kummer konnte ihr etwas anhaben.
„Ach ja mein geliebter Teddy Petz“, dachte Gwen liebevoll.
Es gab ihn ja immer noch, diesen lieben Teddybär. Sie ging nachdenklich ins Nebenzimmer und schaute auf das Sofa in der Ecke. Dort saß Petz und seine blanken Knopfaugen schauten ihr ganz lieb entgegen.
Sie nahm ihn auf den Arm und drückte ihn an sich „so einen lieben Teddy wie Petz müsste ich finden, damit könnte ich das kleine Mädchen bestimmt ein wenig trösten“, dachte Gwen.
Sie nahm ihn mit ins Wohnzimmer und ging mit ihm an das Fenster.
„Schau mal Petz, dort drüben sitzt wieder dieses kleine traurige, einsame Mädchen am Fenster. So einen lieben Freund wie dich könnte sie gebrauchen, meinst du nicht auch?“
Sie streichelte Petz über den weichen Bauch und hielt ihn ganz nah an die Fensterscheibe.
„Ja, brumm brumm, jaaaaa“, sagte ganz plötzlich der kleine Bär, „dieses kleine Mädchen sieht aber wirklich sehr traurig aus“.
Gwendolyn wunderte sich kein Bisschen, das Petz auf einmal sprechen konnte, denn sie hatte seine liebe Stimme schon früher sehr oft in ihrem Herzen vernommen.
„Ich würde ihr so gerne ein wenig Freude machen Petz, damit diese traurigen Augen wieder einmal lächeln können“.
Sie ging zu ihrem Tisch und zündete eine Kerze an, Petz setzte sie vor sich auf den Tisch und schaute ihm in seine braunen leuchtenden Knopfaugen.
„Dann müssen wir Beide jetzt einmal überlegen, wie wir dem kleinen Mädchen eine Freude machen können, oder?“ brummelte Petz und schaute Gwen ganz lieb an.
Gwendolyn runzelte sorgenvoll ihr Stirn „ja, das müssen wir wirklich Petz. Sie brauchte so einen lieben Freund, wie du es bist. Du bist so voller Liebe, so etwas kann man doch in keinem Kaufhaus kaufen“, murmelte sie.
Petz Augen leuchteten im Kerzenlicht „Ach meine liebe Gwen, nun sind wir Beide gemeinsam alt geworden. Mein Fell ist etwas abgegriffen und meine Nase ist schon etwas abgeschabt. Und bei dir sehe ich auch schon einige silberne Fäden in deinem Haar“, brummte der kleine Bär. „Aber auch wenn wir älter geworden sind, bedeutet das doch nicht, dass wir nicht noch zu etwas nütze sind, oder meinst du nicht?“
Gwen musste lachen, „das ist wohl wahr mein kleiner Freund du und ich , wir sind wirklich beide gemeinsam alt geworden“. Sie reckte sich und streichelte Petz über sein weiches Fell. Und du hast ganz Recht, bestimmt gibt es etwas, was wir machen können“.
„Du könntest mich doch zu dem kleinen Mädchen rüber bringen, dann könnte ich sie ganz bestimmt ein wenig trösten“, brummte Petz und seine blanken Augen sahen Gwen erwartungsvoll an.
Jetzt riss Gwendolyn ganz erschrocken ihre Augen auf „ich soll dich fort geben, meinen allerliebsten Freund? Ich glaube, das kann ich nicht“. Sie senkte ganz traurig ihren Kopf.
„Ich gehe doch nicht fort Gwenny, ich bleibe doch dein allerliebster Freund, das bleibe ich solange ich lebe“, brummelte der Teddy ganz leise. „Aber wir müssen dem kleinen Mädchen doch irgendwie helfen, oder nicht ?“
Gwendolyn drückte ihren geliebten Teddy ganz fest an sich. „Darüber muss ich noch etwas nachdenken Petz, das kann ich nicht so schnell entscheiden“.
„Brumm brumm, das verstehe ich Gwenny“, antwortete der kleine Bär und kuschelte sich ganz fest an sie.
Als Gwen an diesem Abend zu Bett ging, nahm sie Petz mit unter ihre Decke und sie begann nach zu denken.
In der Nacht träumte sie von dem kleinen Mädchen, von diesen traurigen Augen. Und als sie am nächsten Morgen erwachte, stand ihr Entschluss fest.
„Ich werde dir noch eine neue Weste häkeln Petz“, erzählte sie ihrem kleinen Freund.
Mit einer weichen Bürste bearbeitete sie Teddys Fell, bis es wieder glänzte wie neu, und mit einem glänzenden Perlgarn wurde seine Nase neu bestickt.
„Autsch, das pikst, pass doch auf“, brummte Petz. Als sie erschrocken inne hielt, sah sie dass er ganz vergnügt mit einem seiner Augen knipste.
Die neue Weste war auch bald fertig und sie stand Petz ausgesprochen gut. „Jetzt bist du aber ganz wunderschön, mein lieber Petz, man kann wirklich stolz auf dich sein“, sagte Gwendolyn mit einem stolzen Lächeln. Es wäre doch wirklich gelacht, wenn wir es nicht schaffen würden, dass dieses kleine traurige Mädchen wieder ein wenig glücklich wird, meinst du nicht auch Petz?“
„Brumm brumm, ja wir schaffen das Gwenny. Und ich verspreche dir, dass ein großer Teil meines Bärenherzens immer bei dir bleiben wird, denn du hast mir soviel Liebe geschenkt, mein ganzer Bauch ist so voller Liebe, so dass ich jetzt eine Menge davon weiter geben kann“.
Gwendolyn lächelte glücklich, sie war richtig froh, dass sie sich entschieden hatte, ihren geliebten Teddybären weiter zu geben. Und sie freute sich jetzt schon auf die glücklichen Augen des kleinen Mädchens.
Ein paar Tage vor Weihnachten verschwand Gwen in ihrer Küche. Sie rührte und knetete, und sie sang, weil sie sehr glücklich war.
Eine große Dose mit duftenden Keksen war fertig, es waren so viele, dass es für die ganze Familie reichen würde.
Petz durfte oben auf der Dose Platz nehmen, schließlich musste ja irgend jemand über diese köstlichen Kekse wachen.
Endlich war der Weihnachtstag gekommen, und mit etwas Herzklopfen machte sich Gwendolyn auf den Weg zum Nachbarhaus. Petz hatte sie fest im Arm, und die duftende Keksdose wurde natürlich auch mit genommen.
Sie klingelte und wartete ganz aufgeregt darauf, dass jemand die Tür öffnete.
Man hörte Schritte , und dann wurde vorsichtig die Türe geöffnet. Eine Frau stand dort und hinter ihr schaute das kleine Mädchen hervor, das Gwen schon so oft am Fenster gesehen hatte.
Gwen lächelte freundlich, sie war unsicher, ob sie überhaupt jemand verstehen konnte. Aber das offene und freundliche Gesicht der Frau strahlte sie an, und alle Fremdheit verschwand sofort.
Sie wurde verstanden und mit einem strahlenden Blick wurde sie herein gebeten.
Gwen betrat die Wohnung und sie lernte nun auch den Vater der Kleinen kennen. Es war eine ganz herzliche Familie, das merkte man gleich.
Gwen überreichte die große Dose mit den Weihnachtskeksen
und dann beugte sie sich zu dem kleinen Mädchen hinunter und gab ihr den Teddybär.
Erst schaute die Kleine sie fragend an, aber als Gwen freundlich nickte, drückte sie den Teddy ganz fest an sich.
„Er heißt Petz“ flüsterte Gwen ganz leise. „Er ist ein ganz lieber kleiner Teddy. Du kannst ihn ganz lieb haben und fest an dein Herz drücken“.
Als Gwen in die Augen des kleinen Mädchens schaute, wollten ihr die Tränen in die Augen steigen. Denn diese sonst so traurigen Augen begannen vor lauter Freude zu strahlen.
Mit einem guten Gefühl in ihrem Herzen konnte Gwendolyn wieder nach Hause gehen.
Petz würde seine Sache gut machen, das wusste sie. Er war jetzt ein Weihnachtsbär geworden.
Diese Geschichte hat noch einen kleinen Nachsatz, denn immer wenn Gwen das kleine Mädchen später am Fenster sah, hielt sie Petz in ihren Armen. Dann winkte sie fröhlich zu Gwen hinüber, und Petz der kleine Teddy leuchtete fröhlich mit seinen glänzenden Knopfaugen.
So als wollte er sagen „haben wir das nicht gut gemacht?“